Type to search

Artikel

Eine Malerfürstin in Rom

Share

500 Jahre Leonardo da Vinci: Großes Jubiläumsjahr zum Todestag

Mit den Attributen Schönheit und ewiger Jugend, Bildung, Musikalität, Empfindsamkeit und Freundschaftskult schuf die im schweizerischen Chur geborene und in Vorarlberg beheimatete Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807) einen Popstar-gleichen Mythos um ihre Person. Internationalen Erfolg und höchstes Renommee verband sie mit außerordentlicher Produktivität und ausgeprägtem Geschäftssinn. Ihre stilvoll trauernden Frauen, sanften Jünglinge, ein subtiles Kolorit, verhaltene Emotionalität, wohltemperierter Klassizismus – Ölgemälde, grafische Blätter, reproduziert auch als Kunstgewerbe, avancierten zum Signum einer Epoche.

Kein Wunder also, dass der Neid die Tochter eines Wandermalers zu Lebzeiten und auch über eine lange Rezeptionsgeschichte hinweg mit dem abwertenden Etikett der „Frauenkunst“ und Zuschreibungen wie „zarte Seele“, „Madonna“, die „vielleicht kultivierteste Frau in Europa“ verfolgte. Dabei erscheint es heute atemberaubend modern, wie Kauffmanns Malerei die Grenzen traditioneller Weiblichkeit und Männlichkeit aufhob und starre Geschlechterrollen verschwimmen ließ. Im vergangenen Jahr präsentierte das Dessau-Wörlitzer Gartenreich „Unbekannte Schätze aus Vorarlberger Privatsammlungen“ der Künstlerin, von Juni bis Oktober 2019 werden sie noch einmal in Bregenz und Schwarzenberg zu sehen sein. Im Jahr 2020 folgt eine große Werkschau in London.

Angelika Kauffmanns Karriere nahm ihren Anfang und ihr Ende in Italien. Das vom Vater umfangreich und intensiv geförderte „Wunderkind“ schuf in Como sein erstes Porträt und glaubte sich „in den Glanz eines Märchenlandes versetzt“. Dann folgten Studienjahre in  Mailand, Bologna und Florenz und die Ehrenmitgliedschaften in den Herrenclubs der Kunstakademien. Kauffmann kopierte Alte Meister und ihr Interesse an der Historienmalerei erwachte. In Rom bekam sie Zugang zum Kreis um Anton Raphael Mengs. Als sie mit einem Porträt Johann Joachim Winckelmanns Aufsehen erregte, gehörte sie zu einer Community von Künstlern, Altertumsforschern, Kunsthändlern und Stadt- und Museumsführern, die den Bildungs- und Kunsthunger der zahlreichen adligen und wohlhabenden Grand-Tour-Reisenden ebenso stillten wie ihren Wunsch nach idealer Selbstdarstellung in einem Porträt. Mit einer Allegorie der Hoffnung reihte sie sich unter die ordentlichen Mitglieder der Accademia di San Luca ein.

1766 zog es „Miss Angel“ nach London, wo sie als Protegé der Königin die Kunstszene 15 Jahre mit Adelsporträts, literarischen Themen, Rätseln und klassischen Historien in ihrem zarten Griff hielt, bevor sie, begleitet von Vater und Ehemann Antonio Zucchi, ihren Lebens- und Schaffensmittelpunkt erneut nach Italien verlegte.

 

Der Auftrag der Königin von Neapel-Sizilien 1782 für ein großformatiges Familienbild verhalf Angelika Kauffmann zum zweiten Durchbruch. In Rom bot ihr nun ein Palazzo auf dem Pincio bei S.S. Trinità dei Monti in unmittelbarer Nähe der Spanischen Treppe den adäquaten Rahmen. Ihr Salon gehörte zu den gefragtesten der Stadt. Ihr Atelier war Teil jeder exklusiven Stadtführung. Die Zeitungen vermerkten die Fertigstellung ihrer Arbeiten, nun auch großformatiger Historienbilder.

Am 29. Oktober 1786 betrat Johann Wolfgang Goethe die Ewige Stadt; Weimars, des Hoflebens, seiner Ämter und Charlotte von Steins überdrüssig. Vieles lag angefangen in der Schublade, nun wollte er nichts als zeichnen. Angelika Kauffmann führte ihn durch eine Schule des Sehens und beriet ihn bei seinen Kunstkäufen. Im Juni 1787 begann sie das Bildnis des Mannes, dessen Freundschaft sie verlässlich zu besitzen glaubte. Eine Freundin gewann Kauffmann, als am 15. August 1788 Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach zu einer lange geplanten Italienreise aufbrach und für ein Porträt saß.

Während der französischen Besetzung Roms und der Koalitionskriege harrte die Künstlerin, deren Welt sich durch Revolution und Krieg dem Ende zuneigte, aus. Nach dem Tod des Ehemannes wandte sie sich religiösen Themen zu und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Die intensive Arbeit vieler Jahrzehnte forderte Tribut. Kauffmanns Gesundheit verschlechterte sich. Sie starb am 5. November 1807. Ihr Grab befindet sich in S. Andrea delle Fratte, ihre Porträtbüste steht im Pantheon, heute S. Maria ad Martyres.

Eine Hommage an das Land ihrer Wahl stammt aus dem Jahr 1796: Die drei Sängerinnen. Drei Stimmlagen, drei Ausdrucksformen der Musik, drei Volksstämme Italiens, drei Grazien. Ewig junge, ewig anmutige Angelika Kauffmann.

Tags:
Vorheriges Artikel
Nächstes Artikel