Tavola in festa 2020
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Andreas Krolik: Ein Porträt
Gaetano Scirea war eine Fußballikone. In seiner Karriere gewann er alles, was es zu gewinnen gab, sogar die Weltmeisterschaft 1982 in Spanien. Scirea war ein echter Kapitän: ruhig, bescheiden, ethisch, nie bekam er eine rote Karte. Für seine Mannschaft war er stets der Leuchtturm im Sturm und wurde bald für ganz Italien zum Symbol: er war nicht nur ein genialer Sportler, sondern auch eine „gran brava persona“, ein guter Mensch.
Bei meinem ersten Treffen mit Andreas Krolik, der für das Restaurant Lafleur in Frankfurt 2015 auf Anhieb den zweiten Michelin-Stern holte, musste ich sofort an Gaetano Scirea denken. Auch in Krolik erkannte ich sofort über das pure Kochtalent hinaus, einen klaren, entwaffnend bodenständigen Menschen, jemanden vom alten Schlag.
Andreas Krolik hat eine glückliche Kindheit im ländlichen Erdeborn im Harzvorland erlebt. Hier ist er zwischen Obstbau und Landwirtschaft aufgewachsen und lernte sehr früh mitzuhelfen: bis heute erinnert er sich genau, dass es vier Schweine, siebzig Hühner, fünfzehn Gänse und zehn Enten auf dem Familienhof gab. Zudem lernte er, den üppigen Obst- und Gemüsegarten zu hegen und zu pflegen, und ging danach zur Belohnung oft allein oder auch mit den Freunden in den kristallklaren Wässern im naheliegenden Süßen See fischen.
Koch zu werden war für Krolik keine Kinderfantasie, sondern eine mutige, doch schlüssige Entscheidung: Ursprünglich wollte er Förster wie sein Onkel werden, doch waren nach der Wende die Aussichten für die junge Generation schlecht. Also ließ er sich einen Plan B einfallen: durch die hervorragenden Küchentraditionen der Großmutter gestärkt, begab er sich in den Schwarzwald und fing seinen Werdegang in einem kleinen schwäbischen Familienhotel an. Bald schlug es ihn ins Berner Oberland in die Schweiz, dann nach Karlsruhe, bis er im Jahre 2000, nach einer kurzen Station im Tigerpalast in Frankfurt, beim legendären Brenners Park Hotel in Baden-Baden landete, für welches er die zwei Michelin-Sterne holte.
Und dann endlich rief der Main in der Person von Robert Mangold nach ihm. Frankfurts Gastronomie-Tempel – der Tigerpalast und das Lafleur – machten ihn zum Chef und wurden dank seines Teams und ihm mit zwei Sternen belohnt.
Trotzdem ist er kein Typ, dem der Erfolg zu Kopfe steigt. Die internationale Stadt mit ihrem raffinierten Publikum ist sein natürliches Habitat, doch zieht es ihn jeden Abend wieder aufs Land zurück. Seine Oase ist die Wetterau, genau 27 Kilometer vom Lafleur entfernt. Hier lebt er mit seiner Frau Diana, die den Lebensstil der Gastronomiewelt sehr gut kennt, hat sie doch selbst jahrelang an seiner Seite gearbeitet, sowie den Töchtern Amelie und Luisa, die es lieben, mit dem Vater neue Rezepte auszuprobieren.
Doch was ist so besonders an der Kochkunst von Andreas Krolik? Zum einen seine genialen Visionen im Bereich der vegetarischen und veganen Gerichte. Lange bevor sich dieser Trend etablierte, hatte Krolik die Intuition, aus den einfachsten Zutaten der Natur, die er seit seiner Kindheit so schätzte, raffinierteste Speisen zu zaubern. Es sind unglaublich originelle und oft auch vielschichtige Kompositionen, doch sie beglücken uns besonders wegen ihrer Leichtigkeit und Heiterkeit, die auf jede unnötige Dekoration verzichten, um den Geschmackskern hervorzuheben.
Krolik kombiniert, selektiert, reduziert aufs Essentielle. Ein lyrischer Purismus durchzieht seine Küche, man erkennt ihn an den klaren Regeln, die er sich setzt: nur hervorragende regionale Produkte verwenden, keine Verschwendung, keinen Trends hinterherlaufen, sondern weiter an den eigenen Ideen festhalten und diese unaufhörlich verfeinern.
Eigentlich habe ich an Andreas Krolik nur eines auszusetzen: in seinem Urlaub scheint er den Norden dem Süden vorzuziehen. Wegen seines unbeugsamen Charakters werde ich mich wohl damit abfinden müssen, Eins zu Null für Norwegen, und wenn mal nach Italien, dann zieht es ihn ins Piemont und „leider“ nur selten in die Toscana. Dennoch hat Andreas Krolik ein großartiges Geschenk für unsere Leser der Gazzetta di Nittardi, das Rezept „Vogelsberger Lammrücken mit Fenchel-Kräuterkruste, Jus mit geräucherter Paprika, grüner Spargel, Auberginencreme und Paprikachutney“. Das komplette Rezept finden Sie auf unserer Homepage.
Um auf meinen Vergleich vom Anfang zurückzukommen: Gaetano Scirea wurde Mitte seiner Karriere Weltmeister. Kommt möglicherweise bald der Moment für Kroliks dritten Stern? Wir sind gespannt!
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