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Malerinnen im Italien der Frühen Neuzeit

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Erfolgreiche Malerinnen waren im Italien des 16. und 17. Jahrhunderts gar nicht so selten, wie man oft meint. Sie wurden bewundert und gefeiert, bis das bürgerliche Zeitalter sie in der Versenkung verschwinden ließ. Dabei gab es viele Malerinnen (auch Bildhauerinnen und Architektinnen), von denen wir heute außer dem Namen kaum etwas wissen und keine Werke kennen, weil sie nur in diversen Quellen erwähnt werden. Dieses Schicksal teilen sie allerdings mit vielen männlichen Kollegen, von denen nur noch die Namen bekannt sind. So bewahrt das Archiv der römischen Accademia di San Luca zwei Blätter aus dem 17. Jahrhundert, auf denen die Namen aller weiblichen Mitglieder verzeichnet sind; die römische Künstlerakademie war nämlich die erste, die auch Frauen zuließ, ab 1606!
Trotzdem war es nicht einfach, sich mit einem künstlerischen Beruf in einer Männerwelt durchzusetzen. Das ging auch für Männer am besten durch Protektion, und Frauen bedurften dieser erst recht, da sie allgemein männlichen Schutz brauchten. Und so weisen die Karrieren, die wir kennen, ein gewisses Muster auf. Viele Malerinnen waren Töchter von Malern und wurden von ihren Vätern ausgebildet, gefördert und lanciert. Das gilt für Lavinia Fontana aus Bologna (1552-1614), Fede Galizia aus Mailand (um 1574-1630), Artemisia Gentileschi aus Rom (1592-1654), Orsola Maddalena Caccia (1596-1676), Elisabetta Sirani in Bologna (1638-1665) und Marietta Robusti, die Tochter des berühmten venezianischen Malers Tintoretto, die deshalb „La Tintoretta“ genannt wurde. Sofonisba Anguissola (1532-1625) aus Cremona hingegen, eine der ersten Malerinnen der Moderne überhaupt, und Giovanna Garzoni (1600-1670) stammten aus adeligem resp. wohlhabenden Hause; sie wurden von ihren Vätern umfassend humanistisch erzogen und in ihrer Begabung gefördert. Einmal dem Einflussbereich der Väter entwachsen, stellte sich die Frage nach dem nächsten männlichen Schutz, also in aller Regel nach einer Heirat. Hier fallen die Lösungen schon unterschiedlicher aus. Sofonisba bekam in ihrer Zeit als Hofdame der spanischen Königin von Philipp II. eine stattliche Mitgift ausgesetzt, damit sie einen standesgemäßen Höfling eheliche, sie setzte aber ihren Kopf durch und heiratete mit 41 Jahren einen sizilianischen Adeligen, mit dem sie nach Palermo zog; als der tragisch ertrank, suchte sie sich gegen den Willen ihres Bruders und Philipps II. einen genuesischen Patrizier aus, mit dem sie in dessen Heimatstadt ging.

Lavinia heiratete mit 25 und stand neben ihrem Beruf elf Schwangerschaften durch. Artemisia musste 1612 Hals über Kopf verheiratet werden und von Rom nach Florenz ziehen, nachdem ihr Vater einen aufsehenerregenden Prozess gegen einen Kollegen geführt hatte, der sie vergewaltigt und monatelang ein Verhältnis mit ihr hatte, ohne seiner daraus folgenden Heiratsverpflichtung nachzukommen. Von ihren vier Kindern überlebte eines; sie nahm sich die Freiheit eines außerehelichen Lovers, der ihr Geld lieh, um samt Ehemann 1620 wieder nach Rom zu gehen. Da war sie längst als erste Frau in die berühmte Florentiner Accademia del Disegno aufgenommen worden. Fede Galizia blieb wohl unverheiratet im Atelier ihres Vaters, Giovanna Garzoni entzog sich dem Problem durch ein Keuschheitsgelübde, und Caccia wurde gleich mit 24 Nonne. Wenig später errichtete ihr Vater ein eigenes Kloster für sie, in dem sie ein halbes Jahrhundert lang in Ruhe malen konnte. Virginia Vezzi (1600-1638) ging eine Liebesehe mit ihrem französischen Kollegen Simon Vouet ein und mit diesem nach Paris. Elisabetta Sirani packte das Problem radikaler an: Sie blieb ledig, übernahm die florierende Malerwerkstatt ihres Vaters, kümmerte sich um das Marketing ihrer Produktion und um die Förderung des weiblichen Nachwuchses, als Professorin (!) an der römischen Akademie und vor allem durch die Gründung einer Kunstschule für junge Frauen, die eine Professionalisierung ohne männliche Mentoren ermöglichen sollte. Sie ist die einzige Malerin, von der eine Art Werktagebuch bekannt ist, das sie 1655 zu führen begann; es offenbart ihre ungeheure Produktivität. Nach ihrem frühen Tod erhielt sie vom Rat Bolognas ein Staatsbegräbnis.

Gemeinsam ist allen, dass sie keine Fresken ausführten. Vor dieser einträglichen Technik drückten sich auch viele männliche Kollegen, weil sie körperlich anstrengend und schmutzig war. Hosen zu tragen war für Frauen unschicklich, und im langen Kleid auf einem Gerüst zu stehen oder zu liegen und abends verschwitzt und von Putz und Farbe bekleckert wieder herunterzukommen, völlig undenkbar. Hingegen schufen sie alle, bis auf Schwester Orsola, Portraits, vor allem von Frauen. Das Modellsitzen für ein Bildnis ist eine relativ intime Situation, und so hatten Malerinnen an den Höfen und in den Palästen unkomplizierter Zugang zu den Damen als ihre männlichen Kollegen. Sofonisba zum Beispiel gehörte zu den berühmtesten Bildnismalern ihrer Zeit, um Lavinia Fontana rissen sich die Damen der römischen Aristokratie. Letztlich gab es aber kein Genre, das für malende Frauen tabu war, Gemälde mit historischen, biblischen oder mythologischen Szenen gehören ebenso zu ihrem Repertoire wie große Altarbilder und andere öffentliche Aufträge. In manchem waren sie aber auch Pionierinnen.
Fede Galizia in Mailand war eine der ersten, die sich der damals noch erst im Entstehen begriffenen, experimentellen Gattung der Stilllebenmalerei widmete und datierte schon 1602 eine Schale mit Pflaumen auf einem Tisch. Für ihre zahlreichen Früchteschalen ist sie heute so berühmt, dass man darüber gern vergisst, dass sie auch Portraits und Historienbilder geschaffen hat. Giovanna Garzoni hingegen pflegte früh engen Kontakt zu den naturwissenschaftlichen Kreisen um die römische Accademia dei Lincei und wurde zu einer Meisterin der modernen botanischen Illustration. Artemisia wurde unter anderem für ihre weiblichen Aktdarstellungen gerühmt.
Die meisten von ihnen waren genau so mobil wie viele ihrer Kollegen: Sofonisba arbeitete in Mailand, Rom, Parma, Madrid, Palermo und Genua, Artemisia in Rom, Florenz, Venedig, Neapel und London – der Beruf war nichts für Ängstliche.

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